LANDGASTHAUS HERCHENBACH

seit 1872

„GUTES AUF DEM LANDE“

Eine Gaststätte im Wandel der Zeit

Nach einem Betrag vom 20. Mai 1975 im Mitteilungsblatt für die Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid anläßlich des 100-jährigen Jubiläums

Im Jahre 1871 endete der Krieg mit Frankreich. Heinrich Wilhelm Herchenbach aus Eischeid, von Beruf Ackerer und Bäcker, damals 27 Jahre alt, hatte sich als Soldat im 8. Preußischem Jägerregiment Verdienste erworben. Anläßlich der Eroberung von Paris durfte er gegenüber seinen Vorgesetzten einen Wunsch äußern. Er erbat sich die Konzession für eine Gaststätte, was damals ein außerordentliches Privileg darstellte. Das Militär mit seiner gesellschaftlichen Vorrangstellung konnte ihm die Erteilung ermöglichen, so daß er bereits im Jahre 1872 in Eischeid eine Gaststätte eröffnete, und zwar im nämlichen Hause, in dem sie sich noch heute befindet.

Eischeid im 19. Jahrhundert

Eischeid war damals ein Ort mit etwa 40 Familien und nach Neunkirchen die bevölkerungsreichste Ansiedlung der gesamten Gemeinde. Fast jeder fand um 1870 seinen Broterwerb in Landwirtschaft und Handwerk. Die Bewohner erhielten nun eine Möglichkeit, eine Gaststätte aufzusuchen und hier Korn, Branntwein, Bier oder Wein zu trinken; die Kinder erhielten „Quatsch“, einen Sirup, der mit Wasser verdünnt wurde.
Der Bierhahn befand sich, wie in den meisten ländlichen Gastwirtschaften zu dieser Zeit, im Hausflur. Um Gedränge und Staus zu vermeiden, waren zwei Haustüren notwendig. Die eine diente als Eingang, die andere als Ausgang.
Bei Tanzveranstaltungen konnte man je nach Betrieb nur wenige Biere trinken, da die neuen Gäste nachrückten. Hierdurch wurde man zwangsläufig wieder nach außen gedrängt. Hatte man aber den Durst noch nicht gestillt, so konnte man sich an der Eingangstüre erneut anstellen und so den „Kreislauf“ schließen.

Noch in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde eine Erweiterung des alten Hauses durch einen Saalneubau im Obergeschoß und die Einrichtung landwirtschaftlicher Stallungen im Untergeschoß vorgenommen. Einen Saal im Obergeschoß hielt man deshalb für vorteilhaft, da bei einer Holzbalkendecke die Schwingungen der Tanzfläche größer waren als zu ebener Erde. Das Ergebnis war jedoch, daß später vor Tanzveranstaltungen der Saal abgestützt werden mußte, um die Stabilität der Decke zu erhalten. Um an die Armut dieser Zeit zu erinnern, sei erwähnt, daß an solchen Tanzabenden das an den Saal grenzende Schlafzimmer des Wirtes ausgeräumt wurde und als Schankraum diente.

Nachtrag

Neben der Gaststätte beinhaltete das Haus eine Viehzucht, wie zur damaligen Zeit zum Eigenbedarf üblich. Hier gab es Hühner, Kühe und vor Zeiten soll auch ein Schwein gesichtet worden sein. Im Jahre 1919 entstand neben der Gaststätte die Eischeider Raiffeisen-Warengenossenschaft, geleitet von Josef Herchenbach senior, die später jedoch aufgrund des Bahnanschlußes nach Ingersau verlagert wurde. Auch sollte erwähnt werden, daß das heutige Landgasthaus lange Zeit eine Handlung (Tante-Emma-Laden) beinhaltete, der alles zum täglichen Bedarf führte. Als sich Nachwuchs im Hause Hermann Josef Herchenbach ankündigte wurden die Handlungsräume schnell in zusätzlichen Gastraum umgewandelt.

Das 20. Jahrhundert

Der Gründer der Gaststätte, der im Jahre 1917 starb, übergab 1910 das Wirtshaus an seinen Sohn Josef senior, dem Großvater des jetzigen Inhabers. Dieser führte die Gaststätte bis zu seinem Tod im Jahr 1959 gemeinsam mit seinem Sohn Josef junior, der bereits sieben Jahre später, 1966 verstarb.

Aus den zwanziger Jahren ist zu berichten, daß eine Gartenlaube errichtet wurde, in der auch eine der ersten Grammophon-Ausstellungen stattfand. Die Laube wurde an der Straßenseite von einer Bruchsteinmauer begrenzt; dort befand sich ein schwerer Eisenring, an dem man die Pferde anbinden konnte.
Beide Weltkriege wurden ohne Schaden für Familie und Gebäude überstanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in mehrfachen Umbauarbeiten die Gaststättenräume und der Saal erneuert und erweitert. Hierbei blieben jedoch der Kern des alten Hauses unangetastet und der Fachwerkstil erhalten.
Nicht zuletzt trug die Gaststätte durch ihre Geselligkeit mit dazu bei, daß im Jahre 1923 die „Freiwillige Feuerwehr Eischeid“ gegründet wurde, aus deren Mitgliedern 1930 der „Quartett – Verein“ als Männergesangverein entstand. Beiden Vereinen dient die Gaststätte seither als Tagungslokal.

1972 war die Gaststätte unter der 4. Generation zu einem modernen Dienstleistungsbetrieb geworden und bot den Gästen neben Getränken auch Speisen in reichhaltiger Auswahl von Tellergerichten, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Auch in Zukunft wird die Familie Herchenbach, der Tradition entsprechend und verpflichtet, ihre Dienste in das Wohlergehen des Gastes stellen und die Gemütlichkeit der Gaststätte, in der jedermann willkommen ist, aufrechterhalten.

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